Woche Eins
Tharkad City, Tharkad
Mark Donegal, Vereinigtes Commonwealth
23.11.3054
Es wäre nicht so gewesen, dass es nur eine Semesteranfangsparty gegeben hätte.
Die Gelegenheiten, sich die Gehirnzellen abzutöten schossen wie Pilze aus dem Boden und ließen die meisten Studenten für einen kurzen Moment vergessen, dass sie die Arbeit die nächsten Monate nicht wieder loslassen würde. Zumindest nicht diejenigen, die etwas Sinnvolles mit dem Semester anfangen wollten.
John lag im Bett und sah auf seinen Wecker.
Sonntag, halb zehn.
Niemand würde ihm dumm kommen, wenn er am Sonntag Morgen länger als nötig liegen blieb. Das Wetter draußen war erbärmlich, und die Uni war am Sonntag auch geschlossen. Er seufzte, dachte nach. Sollte er aufstehen?
Vielleicht ins ´McMurphys´ und in den Tag hinein brunchen?
Erst mal sehen, wer noch Zeit hatte, sofern jemand wollte.
Alleine brunchen war langweilig.
Er stand auf, gähnte nochmals herzhaft und fuhr kurz die Mail-Box an seinem Visiophon hoch. Dann tippte er ein paar Worte und versandte die Nachricht.
Er sah sich um, ordnete seine Gedanken.
Kaffee. Ja, Kaffee war jetzt die beste von allen Optionen... Wenn er nur noch wüsste, wo er das Zeug hin gestellt hatte.
Er gähnte, ein wenig gefrustet und visierte seine kleine Kochnische an. So viele Regale und Wandschränke gab es hier nicht. Und irgendwo musste es ja sein, das verdammte Kaffeepulver.
Er öffnete den ersten Schrank, sah unmotiviert hinein. Kein Kaffee. War klar. Murphys Gesetze galten auch im vierten Jahrtausend und waren und blieben Grundkonstanten.
Als er einen zweiten öffnete und darin herumkramte. Auch nichts. Vermutlich würde er den Kaffee erst im letzten Schrank finden. Oder gar nicht mehr. Hatte er wirklich welchen im Haus oder dachte er nur, dass er das Zeug da hatte?
Eine existentielle Frage, über die man philosophieren konnte.
Oder auch nicht. Das Philosophieren konnte man auch übertreiben.
Er sah in ein Regal, spürte wie sich seine Stimmung hob – und nahm glücklich die Dose mit dem Pulver hinaus, starrte darauf, ging zu seiner Kaffeemaschine und öffnete die Dose.
Alleine schon der Geruch des Pulvers ließ ihn wach werden. Das Zeug schmeckte zwar nicht wirklich, aber die Reaktion, die es im Körper eines übernächtigten Studenten hervorrief, entschädigte für den Geschmack.
Als das Visiophon piepste.
John knurrte kurz und verdrehte seine Augen.
Gut, vermutlich war das eine der Antworten auf seine Nachrichten. Aber hätten sie nicht warten können, bis er die Kaffeemaschine wenigstens am Laufen hatte?? Kaffeekonsum war etwas sehr Intimes und John ließ sich nur ungern dabei stören.
Er trottete zu seinem Visiophon, spielte die erhaltene Nachricht ab. Von July, die ihm mitteilte, dass sie und Nihongi so gegen halb Zwölf in der Kneipe vorbeisehen würden.
Hm, gut.
Damit war der Einstieg in den Tag geschafft.
Er ging wieder zur Kochnische und schüttete einige Löffel Kaffeepulver unromantisch in die Maschine.
Ellen saß mit dem Buch über diese Sache auf Liezen im McMurphys.
Sie hatte zwar beschlossen, das Buch nicht zu brauchen, weil es in Romanform geschrieben war und ihr keine wirklich bedeutenden Weisheiten bezüglich PyroMechs vermitteln konnte, aber sie wollte nun doch wissen, wie diese Geschichte weiterging, weswegen sie das Büchlein übers Wochenende mit ausgeliehen hatte.
Außerdem würde es ein netter Einstieg für die folgende Lern-Session sein.
Und sie hatte durchaus vor, nach ein paar Seiten des Liezen-Buches etwas für ihr Studium zu tun. Dass sie an diesem Sonntag Morgen auch noch praktisch alleine im McMurphys saß und vernünftige Leute sich um diese Uhrzeit ausschliefen, machte das Ganze sogar relativ entspannend.
Man wusste ja, wie so was sonst immer ausging.
Da wollte man in aller Ruhe etwas Konstruktives machen und plötzlich kam dann ganz unvermutet jemand – oder mehrere – dahergelaufen, setzte sich ungefragt dazu und man musste stundenlange SmallTalks oder Diskussionen führen, wollte man nicht mega-unhöflich sein.
Jedenfalls würde ihr das heute Morgen erspart bleiben. Vor drei Uhr nachmittags würde niemand aufstehen, den sie kannte. Darauf würde sie ihren Frühstückstoast verwetten.
Als sie das Buch aufschlug.
Kapitel Zwei
Point Hope, Liezen
Tamarpakt, Vereinigtes Commonwealth
25.1.3032
Als Sarah mit ihrem Ferret zur Landung auf dem Stützpunkt von Leutnant Ellicks PyroLanze ansetzte, spukten ihr eine Menge Gedanken im Kopf herum. Wieso hatte der Leutnant sie angefordert? Nicht, dass man irgendeinen Scout oder irgendeinen Helikopter angefordert hatte, nein, Leutnant Ellick hatte ausdrücklich sie, Feldwebel Sarah Anderson, angefordert. Ihr war diese Sache von Anfang an etwas komisch vorgekommen, aber sie hatte sich zu geschmeichelt und zu geehrt gefühlt, um mehr als nötig darüber zu grübeln.
Barny Ellick war unter den kämpfenden Einheiten bekannt wie der berühmte bunte Hund und die Geschichten, die sich um ihn rankten, wurden immer wunderlicher, je mehr Parsecs sie sich von ihm entfernten. Eigentlich hatte sie sich bis zu dem Gespräch mit Major Katek und Hauptmann Wellerbein vor etwa zwei Stunden einfach nur unglaublich gefreut, dass ausgerechnet sie Ellicks Lanze unterstützen durfte.
Aber irgendein unangenehmes Ziehen in ihrem Magen prophezeite ihr, dass es da einen Haken gab. Es war einfach nicht normal, wenn ein Ferret den vierten Platz in einer MechLanze übernahm. Wellerbein hatte etwas von einer unkonventionellen Idee erzählt. Und Sarah schwante, dass ihr diese Idee nicht gefallen würde.
Sie sah kurz zurück, sah eine trostlose Landschaft, in der sich eine graubraune Steppen mit hässlichen Grasstoppeln mit einer unwirtlichen Felsenküste abwechselte, gegen die ein wütendes Meer seine Wellen schlug. Die Steppe zog sich etwa hundert Kilometer ins Landesinnere hinein und lud nicht wirklich zum Patrouillieren ein.
Point Hope, der Stützpunkt von Ellicks Lanze, war abseits von Siedlungen, Städten und der anderen Garnisonspunkte. Ein Außenposten in der Wildnis. Offenbar wollte niemand Pyros in seiner Nähe haben.
Sarah konnte beim Landen erkennen, dass die Räume und Quartiere des Postens in die landwärtige Seite der Felsenküste gehauen waren. Unterschiedliche Seevögel, hier heimisch und hierher importiert, bauten anscheinend weiter oben in den Felsdömen ihre Nester, von denen aus sie die Fischschwärme im Meer heimsuchen zu können. Das Geschrei der Vögel reichte sogar bis ins Cockpit des Ferrets, aber niemand schien sich hier daran zu stören.
Der Stützpunkt hätte ein architektonisches Meisterwerk sein können, aber der schale Geschmack, den die militärische Nutzung von Point Hope warf, verdarb den Blick auf das künstlerische Element.
Sarah stellte die Maschinen ihres Helikopters ab, nachdem sie unten war, atmete tief durch und stieg aus. Ein junger AsTech, vielleicht Anfang Zwanzig, kam ihr entgegen und lächelte sie diplomatisch an: "AsTech Pablo Gomez. Sie sind Feldwebel Anderson?"
"Ja. Können Sie mir sagen, wo ich Leutnant Ellick finde?"
"Nein, aber Korporal Erkow und MechKrieger Kozewsky stehen da hinten." Er deutete auf eine Felswand an der zwei MechKrieger lässig lehnten und die Szene rund um den Helikopter skeptisch betrachteten. Anderson nickte dem AsTech dankend zu und ging schnell auf die Beiden zu.
Erkow, der jüngere der beiden, war vielleicht Anfang Dreißig und hatte seine Uniform zu einem undefinierbaren, äußerst individuellen Kleidungsstück umgemodelt und lächelte die Helikopterpilotin mit seiner Sonnenbrille, seiner schlechten James-Dean-Frisur und seinem betont jugendlich Stil an. Sarah musste kurz daran denken, dass Erkow der klassische Typ von einem arroganten und übertrieben legeren MechJockey war, den man so bei anderen Waffengattungen verabscheute.
Kozewsky sah anders aus. MechKrieger Kozewsky mochte Ende Dreißig sein, trug eine Uniform, die schon deutlich bessere Tage gesehen hatte, hatte eine unfrisierte blonde Mähne, mit der er chaotisch und ein klein wenig wahninnig wirkte und hatte eine lange Narbe in seinem Gesicht, die sich fast vom linken Auge herunter an seinen Hals zog.
Sarah salutierte: "Feldwebel Anderson meldet sich zum Dienst."
Erkow lächelte, Kozewsky gähnte sie provokant an und murmelte kurz: "Lass den Scheiß, Kleine. Wir sind hier nicht im HQ."
"Ich, eh..."
"Du bist also der Ersatz für Tommeason? Mal sehen."
Sie starrte ihn mit offenem Mund an. Kozewsky redete weiter: "Willst zum Kommandeur, oder? Barny ist oben auf den Klippen und heult mal wieder das Meer an."
Sie zögerte, drehte sich auf ihrem Absatz und ging.
Kozewsky sah ihr kurz nach und wandte sich an Erkow: "Was denkst du?"
"Hm, abwarten."
"Frage mich, wieso der Verrückte ´nen Helikopter angefordert hat."
Erkow seufzte: "Und ich frage mich, wo er dauernd solche Schnecken auftreibt."
Barny Ellick saß im Schneidersitz vor seinem Mech und starrte hinaus auf das Meer. Er mochte die See, ihre Wildheit, ihre Ewigkeit, ihre Ursprünglichkeit und ein wenig auch ihre Grausamkeit.
Barny war neunundzwanzig Jahre alt, hatte kurze schwarze Haare, ein blässliches Aussehen und eine recht kleine Statur. Irgendwann hatte man ihm erklärt, dass sich Naturen wie er eher dafür eigneten, zum Modestar oder zur GothicQueen zu werden. Er hatte auf diese Beleidigung damit reagiert, dass er mit seinem Firestarter eine Lanze VSDK-Mechs abgefackelt hatte. Seitdem war dieses Thema vom Tisch.
Schritte näherten sich ihm. Ellick sah sich um, sah eine Helikopterpilotin in Uniform auf sich zukommen, die vor ihm Halt machte und etwas zögernd salutierte: "Feldwebel Sarah Anderson meldet sich zum Dienst, Leutnant."
Ellick starrte sie einen Moment an, stand dann auf und reichte ihr die Hand: "Ja, schon gut. Sie müssen hier nicht salutieren. Nennen Sie mich Barny, wenn Sie wollen."
"Ich, eh..."
Er grinste: "Das hier ist die Liezen-Miliz, Sarah. Sie sind nicht mehr bei der Lyranischen Garde."
"Ich, also..."
"Sie werden vielleicht ein wenig brauchen, um sich hier einzugewöhnen, aber die Leute hier haben alle ein weiches Herz, auch wenn sie es nicht gerne zeigen."
Sie lächelte: "Auch Kozewsky?"
"Kozewsky ist das größte Weichei von allen."
Er lächelte, dieses Mal etwas natürlicher und weniger verrückt: "Sie fragen sich sicher, wieso Sie hier sind? Wir werden das dann im Briefing besprechen."
"Gut. Wann findet das Briefing statt?"
Er sah sie entgeistert an: "Nach dem Abendessen. Wann sonst?"
Das Geschrei der Vögel ließ erst während des Abendessens nach.
Als Sarah erfuhr, dass manche dieser Tiere auch gerne mal im Kochtopf des Stützpunktes landeten, konnte sie sich die Ruhe erklären, mit der man das hier ertrug. Außerdem hatte Ellick irgendetwas von einem symbiotischen Kreis gefaselt, als sie ihn darauf angesprochen hatte.
Als sie von den Klippen wieder zurück war, hatte sie sich AsTech Gomez geschnappt und sich von ihm durch die Anlage führen lassen. Sie hatte feststellen müssen, dass es sich bei Point Hope um ein weitläufiges Höhlensystem handelte, das in die Klippen und in den steinigen Untergrund gehauen war und in dem man sich durchaus verirren konnte. Die Anlage war wohl ursprünglich für zwei Kompanien BattleMechs konzipiert worden und momentan komplett unterbelegt. Leutnant Ellick hatte dieses Dilemma damit gelöst, den freien Platz als Lagerhallen für handelbare Ressourcen zu benutzen, wie Gomez erklärt hatte. Sarah war spätestens jetzt klargeworden, dass Verschwiegenheit in dieser Lanze eine bedeutende Tugend zu sein schien.
Außerdem hatte man inzwischen ein großes Treibstoffdepot für ihren Ferret angelegt, sowie einen äußerst geräumigen Stellplatz, von dem aus sie sogar aus den Hallen starten konnte.
Ellick stellte sein Teller zurück, beendete damit das Abendessen auf eine gewisse symbolische Art und Weise, stand auf und räusperte sich: "Meine Damen, meine Herren, wir wollen unsere Neue kurz einweisen."
Kozewsky und Erkow nickten, standen sofort auf und halfen dem Koch des Stützpunktes kurz den Tisch frei zu räumen.
Nach einer Weile war der Raum mit allen Angehörigen der Lanze gefüllt und der Esstisch entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als taktischer Kommandotisch, der unter einem großen Esstuch versteckt gewesen war.
Ellick sah kurz in die Runde: "Wir dürfen heute Feldwebel Sarah Anderson bei uns begrüßen. Feldwebel Anderson fliegt ein Ferret und wird Korporal Tommeason ersetzen, der inzwischen da ist, wo wir alle hinwollen. In ein Altersdomizil als ehrenhaft entlassener Veteran."
Er sah Sarah an: "Diese Lanze besteht natürlich aus mehr als aus der kämpfenden Einheit. Wir haben hier ChefTech Luca Cosarra, AsTech Pablo Gomez, AsTech Harry Maldaune, sowie Tech Sandrine Weller, die sich ganz gut mit Helikopter auskennt und die hier ebenfalls erst vor ein paar Tagen angekommen ist. Die wohl wichtigste Person in diesem Stützpunkt ist allerdings Jeton Sill, unser Koch."
Einzelne Lacher. Ellick redete weiter: "Weiter haben wir Tech Christin Piper, die für die Kommunikation zuständig ist und Feldwebel Barry Ylar von der Infanterie, als, eh... logistischern Berater und Beschaffungskünstler, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich erwarte, dass Sie sobald als möglich mit allen diesen Leuten Freundschaft schließen. Professionalität hin oder her, ich kann keine negativen Schwingungen auf meinem Stützpunkt vertragen."
Er sah zu Kozewsky und Erkow: "Die kämpfende Einheit besteht aus mir, Leutnant Barny Ellick in einem Firestarter, Rob Kozewsky in einem Vulcan und Valerius Erkow in seinem HermesII. Sie ersetzen mit ihrem Ferret Jürgen Tommeason in dessen Wasp... Mit dieser Änderung folgt auch eine Veränderung des taktischen Konzepts dieser PyroLanze."
Ellick betätigte ein paar Knöpfe unter dem Tisch und eine Holoprojektion wurde sichtbar, wo sie eben noch gegessen hatten. Dann begann er sofort: "Die bisherige Taktik sah vor, dass Valerius die Feindeinheiten aufgespürt hat und mit seinen HermesII-Sensoren identifiziert hat. Danach ließ er sich zurückfallen und sich angreifen. Rob, der grundsätzlich bei Valerius blieb, hat anschließend mit dem Flammenwerfer seines Vulcan den Untergrund in Brand gesetzt und eine Feuerwand zwischen die Angreifer und dem HermesII und den Vulcan gebracht. Ich mit meinem Firestarter lag für gewöhnlich im Rücken des Gegners, entzündete dort eine Feuerwand und zusammen mit der ersten Feuerwand trieben wir den Feind in Richtung von Jörgen, der das was übrig war mit seinen Inferno-KSRs erledigt hat."
Sarah starrte auf die Grafik. "Das, eh, widerspricht dem allgemeinen Kriegsrecht."
"Ja. Und?" Er sah sie irritiert an.
"Stört... eh, stört es sie nicht, dass Sie dadurch zum Kriegsverbrecher werden, also technisch gesehen."
Er visierte sie scharf an – und lachte plötzlich belustigt. Damit war dieses Thema wohl erledigt.
Die Helikopterpilotin schluckte und fragte: "Hm. Was war, wenn diese Falle durchschaut wurde."
"Dann haben wir sie einfach so verbrannt."
"Und wenn das Gelände ungeeignet für Flammenwerfer war?"
"Glauben Sie, dass ich Risiken eingehe? Das Gemisch in unseren Flammenwerfern ist eine Spezialanfertigung. Mit dem Zeug kriegen Sie alles für vierundzwanzig Stunden zum Brennen. Steine, Böden, Asche, Stahlträger, jegliche Form von Kunststoffen. Gewöhnliche Brandbeschleuniger wie Napalm können Sie im Vergleich dazu in der Pfeife rauchen."
Sie schluckte, stammelte: "Keine sehr angenehme Art zu sterben."
"Im Krieg ist nichts angenehm." Kommentierte Ellick trocken und ohne jegliches Mitgefühl. Dann fuhr er fort: "Ihr Ferret macht uns um Längen flexibler und damit wesentlich tödlicher.
Natürlich wäre es nicht ratsam mit unseren Maschinen in den InFight zu gehen, aber im Gegensatz zu früher hätten wir jetzt eine echte Chance. Unsere frühere Kampfweise war darauf ausgerichtet, Gelände, Feind und Windrichtung genauestens zu kennen, was uns zu sehr viel Planung verdammt hat. PyroMechs sind klasse, aber im Direktkampf leider zu schwach. Mit dem Helikopter und der neuen Bewaffnung, mit der wir ihn bestücken werden, können wir das ändern. Außerdem bekommt diese Lanze aufgrund der hohen Mobilität eines Hubschraubers die Möglichkeit, jede gegnerische Einheit unter Ausnutzung der Windrichtung zu erledigen."
Sofortiges Nicken der bisherigen Lanzenangehörigen. Zögerliches Nicken von Sarah.
"Gut. Hm, also meine Pläne für unsere neue taktische Ausrichtung sehen so aus, dass die Mechs nicht mehr einzeln operieren sondern konzentriert. Der Firestarter, der Vulcan und der HermesII arbeiten in Zukunft Seite an Seite. Valerius wird wieder den Anfang machen und sich dem Gegner zu erkennen geben, wobei Sarah sich mit ihm die Scoutaufgaben teilen wird. Die speziellen Wurfsensoren, die Sarahs Ferret dabei an Bord hat, können uns dabei von erheblichem Wert sein. Jedenfalls teilen sich die zwei ab heute den Aufklärungsbonus..."
"Aufklärungsbonus?"
Kozewsky murrte kurz: "Zehn mal Aufklärungsbonus und du bekommst ein Fleißbildchen. Zehn Fleißbildchen und Onkel Kozewsky gibt dir dicken Schmatz auf deine linke Backe."
Sarah sah ihn an und lachte amüsiert. Kozewsky grummelte und Ellick fuhr fort: "Wir lassen unsere Gegner auf Steinwurfweite herankommen und decken sie dann mit den Flammern zu. Die Feuerwand treibt unsere Gegner dann auf Sarah zu, die bei Höchstgeschwindigkeit im Tiefflug angreift und in dem Moment, wenn sie über den feindlichen Truppen ist, die Bomben wirft. So sieht jedenfalls der ideale Einsatz aus."
Kozewsky runzelte die Stirn: "Welche Bomben?"
"Die Bomben, die wir vor ein paar Monaten für die leichten Laser eingetauscht haben."
"Was willst denn damit erreichen? Mit den Ostereiern?"
Ellick lachte boshaft: "Es kommt auf die Füllung an, Rob. Und wir füllen diese Ostereier mit unserem Spezialgemisch. Kannst du dir vorstellen, was zwei Ostereier von so einer Dimension mit einer feindlichen Einheit anrichten, wenn sie in deren Mitte hochgehen, du großer Affe?"
Stille.
Kozewsky schüttelte sich: "Bist mir manchmal unheimlich, Boss. Das ist unmenschlich."
"Natürlich ist es unmenschlich! Das ist ja auch der Sinn der Sache. "
Sarah räusperte sich: "Verstehe ich das gerade richtig? Ich soll im Tiefflug aus der Deckung heraus einen Mech-, Panzer- oder Infanterieverband angreifen um dann genau über der feindlichen Einheit Brandbomben abzuwerfen?"
"So in der Richtung. Laut Ihrer Akte haben Sie bereits einige waghalsige Tiefflugmanöver durchgeführt und scheinen dafür begabt. Und sollte ein Bombenabwurf nicht möglich sein, greifen sie mit Raketen an. Wir haben noch ein paar einfache Raketen, die wir mit unserer Suppe ebenfalls füllen können. Wenn Sie mit den Bomben nicht ran kommen, feuern sie eben damit."
"Hm, die Halterungen und Zielvorrichtungen müssen wir erst noch einbauen. Wird übrigens knapp mit dem Startgewicht."
Ellick schüttelte den Kopf: "Nein. Ihr MG und die Munition dafür montieren wir aus, die Wurfsensoren reduzieren wir auf zwei und zusätzlichen Fracht werden Sie nicht mehr aufnehmen bis auf Notfälle. Damit sollten Sie genügend freies Gewicht haben."
"Na ja, muss ich noch durchrechnen, aber es könnte gehen."
"Gut. Wir beginnen mit dem Training morgen. Ich möchte, dass Sie in Zukunft jeder erdenklichen Art von Flakfeuer ausweichen. Sonst hat das alles keinen Sinn."
Sarah nickte. Ellick flüsterte: "Noch etwas. Sollte es Ihnen nicht möglich sein, an ihren Gegner heranzukommen, greifen Sie nicht an. Ihr Ferret verfügt praktisch über keine Panzerung. Sollte ein ernsthaftes Risiko bestehen, dass Sie einen Treffer fangen, ziehen Sie sich augenblicklich zurück, unabhängig von der Gesamtlage. Sie spielen mir keine Heldin, sondern machen Ihren Job, klar?"
Kapitel Zwei Ende
"Hallo!"
Ellen schreckte zusammen, als sie Johns Stimme dicht hinter sich wahrnahm.
Sie drehte sich langsam um, sah ihn, July und Nihongi und lächelte den Dreien verzweifelt zu.
Ohne großartig abzuwarten, ob Ellen sie zu sich bitten würde, setzte sich Ni auf der Stelle neben sie, ähnlich wie July, dann John.
"Du lernst schon wieder?" Nihongi sah sie argwöhnisch an, wie eine Aussätzige.
"Eh ja, was ist falsch daran??"
July lächelte amüsiert, John schüttelte verzweifelt seinen Kopf. Ellen grummelte kurz, sah die Drei an: "Und was tut ihr eigentlich jetzt schon hier?"
"Brunchen." Kommentierte John leise.
Sie stierte ihn giftig an: "Ah, typisch... Wollt ihr auch mal was für die Uni tun? Oder denkt ihr dauernd nur ans Essen und ans Feiern?"
John wollte etwas erwidern, als er sein Bein neben dem Tisch von sich streckte und die Person übersah, die gerade vorbei ging und darüber stolperte. Eine Studentin, beladen mit Büchern und Kopien. Johns Augen weiteten sich erschreckt, als sie mit der Seite gegen den Tisch fiel und ein dumpfer Schlag zu hören war.
Er kniete sich sofort neben sie, sah sie etwas geschockt an und murmelte etwas, das nach einem reumütigen "Entschuldigung." klang. Sie blickte hoch, sah John verärgert an, meinte dann: "Schon gut. Nicht so schlimm."
July sah sie an: "Setz dich doch erst mal."
"Nein. Wirklich." Sie verzog ihr Gesicht, setzte sich auf den Boden und hielt sich ihren Kopf. John half ihr auf, setzte sie auf seinem Platz ab und hob die Bücher und Kopien auf.
"Gebrochen oder so hast du dir auch nichts?" fragte Ellen und sah John verächtlich an: "Bleib erst mal hier sitzen. Der Trampel da," sie deutete auf den Zweitsemestler, "kann ruhig stehen."
"Wie heißt du eigentlich?"
"Carmen."
Ellen beäugte sie kurz: "Studierst du?"
"Ja. Planetologie."
Ellen nickte: "Interessantes Fach. Wir vier sind für Militärgeschichte eingeschrieben."
Carmen blickte sie interessiert an: "Ah, soll spannend sein, wie man so hört. Für mich wär´ es jetzt aber weniger was."
John lächelte kurz: "Was für Nebenfächer hast du?"
"Stellarsoziologie und Meteorologie."
"Eh..."
John warf ihr einen kurzen Blick zu.
Sie war etwas kleiner, zierlich, schwarzhaarig mit einer netten Frisur und einem netten Aussehen. Ihm fiel allerdings ihr chaotischer und überbeschäftigter Blick auf. Und ihre himmelblauen Augen. Er fand sie überaus hübsch.
Ellen wollte gerade etwas sagen, als sie feststellen musste, dass Ni und July mit Carmen in ein Gespräch über Planetologie vertieft waren und John nur noch Augen für ihre körperlichen Reize hatte.
Ellen seufzte leise und befreit auf und griff, von allen unbeachtet, wieder zu ihren Büchern.
Adrenalin II - Das 2. Kapitel
05.04.2023
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